Chinesische Naturphilosophie (Daoismus)

Was bedeutet eigentlich "Alles Fliesst"? – Man kann nicht zweimal in den selben Fluss steigen. Das Leben ist Wandel, man kann nicht an einen früheren Zeitpunkt seiner Entwicklung zurückkehren.

In der Natur findet man z.B. im Jahreszyklus charakteristische Wandlungsphasen: Sommer, Herbst, Winter, Frühjahr…

Durch jahrtausendelange Beobachtung der Jahreszeiten, der Menschen, Tiere und Pflanzen kam man im alten China zu der Überzeugung, dass eine günstige Abfolge von Wandlungsphasen eine ist, die derjenigen in der Natur gleicht. Es wurde eine Kunst darin Entwickelt Wandlungsphasen zu beschreiben und zu erkennen. So wie man in etwa voraussagen kann wie sich die Knospe einer Pflanze weiterentwickeln wird, so kann man auch die Entwicklung entsprechender Wandlungsphasen beim Menschen erahnen oder sogar bestimmen.

Es gibt keine letzendliche Sicherheit bei der Bestimmung: Die Blühte kann in einem halben Jahr welken, eine Ernte kann verderben. Dennoch kann ein erfahrener Gärtner/Bauer mit grösserer Gewissheit sagen was passieren wird als ein moderner Stadtbewohner. In der chinesischen Medizin sind solche Menschen als Heiler bekannt.

Doch was genau sind Wandlungsphasen? Die meisten Europäer können sich kaum etwas darunter vorstellen. Auf die Fülle folgt Leere, nach dem Aufstieg kommt der Abstieg. Gesund ist es, wenn diese gegensätzlichen Phasen in gleicher Stärke vorhanden sind.

Das ist ein grosser Gegensatz zur westlichen Philosophie: wir streben nicht nach einer Ausgewogenheit in der Mitte, sondern nach einem permanenten Aufstieg! Eine "Rezession" ist für uns nicht die notwendige Wandlungsphase nach einem Aufschwung, sondern eine Katastrophe mit der niemand rechnen wollte. Idealerweise werden alle immer reicher oder schaffen es sogar vom Tellerwäscher zum Millionär… Wir müssen zugeben dass es sich hier um eine dogmatische Philosophie handelt, die wenig mit der Realität zu tun hat. (Wie bereits hier beschrieben ist die Idee eines permanenten Aufstiegs, die Grundhaltung jeder faschistoiden Le(h)ere).

Für die gegensätzlichen Kräfte, die sich Ausgleichen gibt es eine Abstraktion: Yin/Yang. Ist eines von beiden zuviel vorhanden wird der Mensch krank. Ausgleichen kann Mensch ein Ungleichgewicht durch spezielle Meditationspraktiken (Qi Gong) und durch Ernährung. Nur selten sind daher in der chinesischen Medizin schwerwiegende Eingriffe in den den menschlichen Körper durch Anwendung von Kräutern und Akkupunktur notwendig.

Man könnte die Jahreszeiten als eine Abfolge von Sommer und Winter sehen, in der Herbst und Frühjahr Übergangsphasen sind. Man kann aber auch die Betrachtung verfeinern und weitere Zwischenphasen erkennen. Im Grunde genommen handelt es sich immer um die gleiche Kreisbewegung und es ist allein dem Betrachter überlassen wie fein er dieses Ziffernblatt unterteilen will.

Analog zur Natur gibt es beim Menschen mehrere gleichzeitig Ablaufende Zyklen, die sich gegenseitig beeinflussen. Auch hier wird ein Gleichgewicht angestrebt. 64 typische Wandlungsphasen wurden vor Urzeiten in dem "Buch der Wandlungen" (I Ging) niedergeschrieben. Diese 64 "Durchgangsstationen" lassen sich auf 8×8 Archetypen zurückführen und diese wiederum auf Yin/Yang. Zu jeder dieser 64 Phasen gibt es günstige und ungünstige Fortschreitungen, genau wie etwa die Abfolge Winter-Herbst in der Natur ungünstig wäre.

 

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2d/Pakua.gif
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Bezeichnenderweise gibt es im "Westen" keine vernünftige Übersetzung vom I Ging. Oft wird es als Orakelbuch benannt oder mit Kommentaren überschwemmt, die noch nicht einmal als solche gekennzeichnet sind. Dabei ist die Selbsterkenntniss das wichtigste Ziel des Daoismus und was andere für Erkenntnisse aus der Anwendung gewonnen haben mögen ist redundant und irrelevant. (Beispiel: Übersetzung von R.Wilhelm und B.Hamann).

Zur Idee der natürlichen Fortschreitung noch ein Beispiel: Ein Daoist würde keinen Lottogewinn anstreben, denn der Wechsel von "arm" zu "reich" ohne eine Zwischenphase erschiene ihm nicht naturgemäss. Zumindest würde er einem solchen umbruchartigen Ereigniss keine Bedeutung beimessen, da es das grosse Ganze (Dao) nicht in einer ehrbaren Weise wiederspiegelt. Schliesslich ist Lotto ohnehin nur erfunden worden um die Massen zu betrügen.

Was ist in unserem System eigentlich NICHT erfunden worden um die Massen (also das Ganze) zu betrügen? Diese Frage muss man sich einmal ernsthaft stellen.

-CBwn

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